Sichere, erschwingliche, zugängliche und nachhaltige Verkehrssysteme sind ein zentraler Schlüsselindikator der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die bis 2030 erreicht werden sollen. Dies griff die diesjährige Ringvorlesung „Transformation unserer Welt – Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ mit ihrem Thema auf: Nachhaltige Mobilität. An sechs Abenden diskutierten Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Entwicklungszusammenarbeit mit dem Publikum ihre Perspektiven dazu.
Die Abschlussveranstaltung fokussierte auf die Frage „Wie muss nachhaltige Mobilität aussehen, um niemanden zurück zu lassen?“ Sie stellte damit den Grundsatz der Agenda 2030 in den Mittelpunkt: „Leave no one behind“.
Weniger Rohstoffe, mehr Verantwortung
„Deutsche Unternehmen inklusive Zulieferer müssten betroffene Menschen miteinbeziehen und auch ein „Nein“ anerkennen, wenn sie andernfalls beispielsweise Indigenen ihre Lebensgrundlage nehmen.“ Lara Siever, Referentin für Ressourcengerechtigkeit beim INKOTA-netzwerk, wies auf die Verantwortung hin, die Deutschland als fünftgrößter Rohstoffimporteur hat. Die Automobilindustrie beziehe Rohstoffe vor allem aus dem globalen Süden. Der Ausbau der E-Mobilität und der Digitalisierung werde den Bedarf insbesondere aus dem Bergbaubereich weiter erhöhen. Damit verbunden seien vor allem hoher Wasserverbrauch, Schadstoffbelastungen und Kinderarbeit. Das INKOTA-netzwerk fordert gemeinsam mit 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Mobilitätswende. Basis dafür: geringerer Rohstoffverbrauch, verzahnt mit mehr Verantwortung in der Rohstoffpolitik, etwa durch ein verpflichtendes Lieferkettengesetz mit Haftung und die Ausweitung der EU-Konfliktmineralienverordnung.
Verkehrspolitik für alle
„Mobilität muss mit allen Nutzern im Hinterkopf geplant werden – alle Perspektiven und Bedarfe müssen einbezogen werden“ betonte Daniel Moser, Management Leiter der Initiative für Transformative Urbane Mobilität (TUMI) der GIZ. Er ging darauf ein, dass Frauen und Männer unterschiedliche Bedürfnisse und Barrieren für die Nutzung von Transportmitteln haben. Der männerdominierte Verkehrssektor berücksichtigt bisher in der Verkehrsplanung zu wenig die Bedürfnisse von Frauen, etwa was Nutzungszeiten, Routen oder auch Sicherheit vor Übergriffen betrifft.
Die internationale Konferenz „women mobilize women“ von TUMI war 2018 Auftakt für das Empowerment von Frauen im Verkehrssektor. Unterstützt von TUMI entstanden ein internationales Netzwerk und zwei regionale Netzwerke in Lateinamerika und Ostafrika. Weitere Konferenzen, Seminare und Pilotprojekte folgten. In Bogotá beispielsweise wurden Frauen in Stadtplanungen einbezogen, um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu verbessern.
Richtig investieren
„Momentan fließt viel Geld in der Pandemie. Chance und Herausforderung: Das Geld das jetzt da ist, richtig zu investieren. Mit Wirtschaftsinvestitionen den richtigen Rahmen setzen“ forderte Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende. Aus seiner Sicht ist eine Klimaneutralität bis 2035 in Deutschland nicht mehr möglich. Umso wichtiger, so sein Statement, sei es die globale Verantwortung mitzudenken und zu kooperieren. Andernfalls könnten die Klimaziele nicht erreicht werden.
Ohne Auto ist kein Verzicht
„Mobilität ist nicht bewusst. Mobilität ist ein sehr emotionales Thema. Viele Menschen wissen nicht von nachhaltigen Mobilitätsangeboten, geschweige denn diese zu nutzen“ berichtete Carolin Schröder, Bereichsleiterin für Partizipation im Zentrum Technik und Gesellschaft der TU-Berlin, aus ihren Projekten zu Mobilität in Berlin. Das Projekt „Deine Flotte“ bietet Gelegenheit nachhaltige Mobilität mit Gutscheinen auszuprobieren, während das eigene Auto sechs Wochen stehen bleibt. Rund ein Drittel der Teilnehmenden – zwischen 30 und 60 Jahre alt und überwiegend Hochschulabsolventinnen und Absolventen – hat danach das Auto abgemeldet.
Um die Menschen zu erreichen seien die Gespräche wichtig; dabei seien Begriffe wie „Verzicht“ hinderlich, erläuterte Carolin Schröder. Mit Blick auf das Motto der Abschlussveranstaltung „Leave no one behind“ bekräftigte sie, dass noch systematische Forschung notwendig sei, um die bei Verkehrsplanungen bisher zu wenig oder gar nicht berücksichtigten Personengruppen besser einzubinden.
Außerdem nennt sie die Zusammenarbeit mit der Verwaltung, die beispielsweise in Berlin um die Durchsetzung des Berliner Mobilitätsgesetzes in den Bezirken kämpfe. Seit 2018 soll das Berliner Mobilitätsgesetz den Weg hin zu einer nachhaltigen Mobilität weisen. In Deutschland einmalig soll hier der Fuß- und Radverkehr vorrangig vor dem Autoverkehr behandelt werden.
Veranstaltet wird die jährlich stattfindende Ringvorlesung von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Engagement Global mit dem Programm Entwicklungspolitische Bildung in Deutschland (EBD) in Kooperation mit der Freien Universität Berlin (Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie zusammen mit der SUSTAIN IT!-Initiative für Nachhaltigkeit + Klimaschutz).