Laut der Weltbank gehören weltweit schätzungsweise 476 Millionen Menschen indigenen Völkern an. Ihre Lebensgrundlage ist durch die fehlende Anerkennung ihrer Rechte und den Abbau natürlicher Ressourcen bedroht. Darauf machen am 9. August die Vereinten Nationen mit dem internationalen Tag der indigenen Bevölkerung aufmerksam.
China Kichá ist ein circa 1.100 Hektar kleines und abgeschiedenes Bergdorf in der Region Talamanca in Costa Rica. Dort leben ungefähr 200 Personen des indigenen Volkes der Cabécar. In den 1940er-Jahren war ihr Gebiet noch rund 7.000 Hektar groß, bevor illegale Siedler und die Regierung den Cabécar das Land wegnahmen und sie aus ihrer Heimat vertrieben. Heute leben die meisten der rund 17.000 Cabécar zerstreut in ganz Costa Rica.
Der 18-jährige Berliner Liam Renz lebt seit September 2022 in China Kichá. Er macht seit fast einem Jahr mit der Organisation Pro REGENWALD und dem weltwärts-Programm einen Freiwilligendienst auf der Finca Sekeglö Kaskä (auf Deutsch: Erde der Älteren). Dort werden unter anderem Bohnen, Mais, Reis, Maniok und Bananen ökologisch angebaut. Dadurch wird die Ernährungssicherheit und –souveränität der Gemeinschaft gewährleistet. Außerdem dient die Finca als Modellprojekt für die ökologische Bewirtschaftung der Böden und die Wiederherstellung des lokalen Ökosystems. Liam Renz ist in alle landwirtschaftlichen Tätigkeiten von der Pflanzung über die Pflege und Bewässerung bis hin zur Ernte eingebunden. „Die Indigenen, die ich kennengelernt habe, haben eine ganz andere, viel direktere Verbindung zur Natur. Sie stehen mit ihr in Kontakt, indem sie zum Beispiel alle Pflanzen und Kräuter zur Ernährungsversorgung und auch für medizinische Zwecke nutzen“, erzählt Liam Renz.
Doch der Gemeinschaft geht es um weit mehr als um Landwirtschaft und Ernährung. Sie wollen traditionelles Wissen und indigene Kultur erhalten. Im Unterricht und durch den Austausch mit den Älteren werden Sprache, Kultur und Methodenwissen an die jüngere Generation weitergegeben. „Es gibt einige traditionelle Rundhäuser, die mit alten Techniken erbaut wurden und deren Bau mich sehr beeindruckt hat“, erzählt Liam Renz weiter. „Ich bin froh, das nicht nur miterlebt, sondern direkt daran mitgewirkt zu haben.“ Der Bau eines kleinen Museums bietet einen Ort, um historische Schriften sicher aufzubewahren und die Geschichte der Cabécar und ihre Kämpfe gegen Besatzung weiterzugeben.
Ein zentrales Anliegen der Cabécar ist auch die Sicherung der ihnen rechtmäßig zustehenden Territorien. 1977 hatte die costa-ricanische Regierung beschlossen, dass indigenes Land nur an Indigene veräußert werden darf, und sich dazu verpflichtet, in der Vergangenheit an Nicht-Indigene veräußertes Land zurückzukaufen. Doch auch heute noch sind einige indigene Territorien illegal besetzt von Viehzüchtern, die gewaltsam gegen indigene Führungspersönlichkeiten vorgehen.
Liam Renz fasst seine Eindrücke zusammen: „Es ist eine sehr friedliche Gemeinschaft, die stark zusammenhält. Die ganze Historie und all das, was das Dorf schon durchmachen musste, haben den Zusammenhalt extrem gestärkt. Mich faszinieren besonders der jahrzehntelange Kampf gegen die unterschiedlichen Regierungen, die andauernde Überwindung der Existenzangst und die Kraft sich immer und immer wieder aufs Neue zu widersetzen.“
Im September geht es für Liam Renz zurück nach Deutschland. „Ich nehme nach Deutschland die Mentalität der Leute hier vor Ort mit. Die Erkenntnis, dass wir in Deutschland in einem unglaublichen Überfluss leben, der gar nicht notwendig ist, um glücklich zu sein.“