Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit rund 200 Millionen Mädchen und junge Frauen von Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, kurz FGM) betroffen. Jährlich kommen rund zwei bis drei Millionen Mädchen hinzu. In etwa 30 Ländern Afrikas, des Mittleren Ostens und in einigen asiatischen Ländern wird die weibliche Genitalbeschneidung praktiziert und damit eine massive Menschenrechtsverletzung begangen.
FGM gilt häufig als ein Ritual für den Übergang vom Mädchen zur Frau und findet vor Beginn oder während der Pubertät statt. In manchen Regionen werden Mädchen bereits im Säuglingsalter beschnitten. Bei dem Eingriff werden Teile des weiblichen Genitals abgeschnitten oder verletzt. Der Tradition folgend gibt es für den gefährlichen Eingriff unterschiedliche Gründe. So soll die Beschneidung für Reinheit stehen, die Jungfräulichkeit sicherstellen und die Chancen auf dem Heiratsmarkt verbessern. Meist wird das Ritual von Frauen, sogenannten Beschneiderinnen, durchgeführt. Seit 2003 findet jährlich am 6. Februar der „Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ statt, um auf diese Form der Menschenrechtsverletzung aufmerksam zu machen und über die schweren psychischen und physischen Folgeschäden aufzuklären.
Im westafrikanischen Senegal steht FGM seit 1999 unter Strafe. Dennoch wird das Ritual noch immer in einigen Teilen des Landes praktiziert. Die Hilfsorganisation (I)NTACT e.V., Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen e.V., will mit dem Projekt „Überwindung der Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung“ in 707 Orten der Regionen Kolda und Sedhiou in Senegal über die Gefahren des schädlichen Eingriffs aufklären. Das Projekt, das von 2014 bis 2017 durchgeführt wurde und auf dem seit 2018 ein Folgeprojekt im gleichen Gebiet aufbaut, wird über bengo von Engagement Global gefördert.
Obwohl ein Rückgang der Fälle von FGM verzeichnet wird, ist die Praxis vor allem im Süden Senegals weit verbreitet. In den dortigen Projektgebieten sind 45 Prozent der Mädchen unter 14 Jahren beschnitten, bei Frauen zwischen 15 und 49 Jahren sind es über 80 Prozent. Gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation USU, Umbrella Support Unit, werden gezielt religiöse und traditionelle Führer und Führerinnen in den Gemeinden sowie Beschneiderinnen angesprochen und über die negativen Aspekte von FGM aufgeklärt. Ziel ist es, dass Traditionshüter und -hüterinnen sowie Beschneiderinnen selbst die Bevölkerung von der Schädlichkeit des Eingriffs überzeugen. Durch öffentliche Aufklärungsveranstaltungen, Filmvorführungen, Vorträge an Schulen und Radioauftritte soll außerdem ein Großteil der Bevölkerung direkt erreicht werden.
Mädchen und Frauen haben nach der überstandenen Genitalverstümmelung häufig mit dauerhaften Schmerzen und Infektionen zu kämpfen. Neben der Präventionsarbeit ermöglichen Projektmitarbeitende von USU deshalb betroffenen Frauen den Zugang zu ärztlichen Untersuchungen und Operationen.
Auch in Deutschland sind Mädchen der Gefahr ausgesetzt, hierzulande oder durch einen Eingriff im Ausland an ihren Genitalien verletzt zu werden. Nach einer Studie von Integra, dem Deutschen Netzwerk zur Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung, und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) sind es knapp 50.000 betroffene und 5.000 gefährdete Mädchen und Frauen, die in Deutschland leben. Die deutschen Fachorganisationen schätzen die Zahl der bedrohten Mädchen sogar auf 13.000.
Der Verein LebKom e.V., Lebendige Kommunikation mit Frauen in ihren Kulturen, will hierzulande mit dem Projekt „Weibliche Genitalverstümmelung – mehr Engagement für bedrohte Mädchen und Frauen in Afrika! Ehrenamt stärken, Jugend erreichen, Entscheidungsträger bewegen“ für das Thema sensibilisieren und statt zu schockieren, erfolgreiche Perspektiven zeigen, wie die Praktik beendet werden kann. Das derzeit laufende und von FEB, dem Förderprogramm Entwicklungspolitische Bildung, geförderte Projekt bietet unter anderem Fortbildungen und Qualifizierung für Ehrenamtliche. Der Verein hilft den Teilnehmenden dabei, sich untereinander zu vernetzen und Fähigkeiten und Hintergrundwissen zu erschließen, um am eigenen Wohnort entwicklungspolitisch aktiv werden zu können. Die Fortbildungen bieten außerdem Raum, kreative Ideen zu finden für überregionale Mitmach-Kampagnen und sensibilisieren die Teilnehmenden im Umgang mit von FGM betroffenen Mädchen und Frauen.
LebKom e.V. ist außerdem an Schulen unterwegs, bietet eine Wanderausstellung an und gibt Workshops und Unterrichtseinheiten zum Thema „FGM – was hat das mit uns zu tun?“. Besonders lebensnah und konkret werden die Wege zur Überwindung von FGM durch das Praxisbeispiel Fulda-Mosocho-Projekt in Kenia, das LebKom e.V. mitträgt. In Mosocho sind schon über 30.000 Mädchen geschützt. Die Ausweitung auf zwei weitere Nachbar-Regionen wurde 2011 mit einer Sensibilisierungskampagne für Führungskräfte über eine Förderung von bengo gestartet. Dieses Projekt setzt auf Schulungen und Ausbildungen nach dem Wert-Zentrierten Ansatz: Es bezieht zu 50 Prozent Männer ein und holt lokale Führungskräfte ins Boot. Durch den direkten Kontakt zum Projekt vor Ort gelingt der Austausch über die Aktivitäten in Deutschland und Kenia sowie die gegenseitige Unterstützung der verschiedenen Akteure.
Nach der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) ist die Verbreitung von FGM seit 2000 weltweit um fast ein Viertel zurückgegangen. Dennoch wird weiterhin in beinahe 30 Ländern trotz gesetzlicher Verbote an der schädlichen Tradition festgehalten.