Nachhaltige Entwicklung in Forschung, Lehre, Hochschulverwaltung und Studierendeninitiativen der Hochschulen von Baden-Württemberg zu verankern und mit Leben zu füllen – das war das Ziel des 5. Hochschultags für nachhaltige Entwicklung. Anfang Juli 2022 hat er nach zweijähriger Pause wieder stattgefunden, zum ersten Mal an einer Hochschule selbst, der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Gegründet wurde die Universität Hohenheim vor 200 Jahren mit dem Ziel, den Hunger in Württemberg und der Welt zu bekämpfen. Das entwicklungspolitische Thema des Tages war passend dazu Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft.
Prof. Caroline Ruiner, Prorektorin für Digitale Transformation, begrüßte die mehr als 100 Teilnehmenden und führte in das Thema ein, das eng mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) verzahnt ist. Die Spurensuche nach den 17 Zielen gestalte sich in Hohenheim einfach, da Spuren überall zu finden seien. Im partizipativ erstellten Strukturentwicklungsplan der Universität sind sie im SDG-Mapping fest verankert und die Fortschreibung des Plans für die kommenden fünf Jahre soll dies weiter vertiefen - bekannt ist dieser Ansatz als Hohenheimer Modell. Er hat auch Afrika als Schwerpunkt und es wurde eine Afrikastrategie entwickelt. Neben zahlreichen Studiengängen, die zu Nachhaltigkeit lehren, wie zum Beispiel Bioökonomie und Globale Ökosystemforschung, gibt es Projekte wie das SDG-Graduiertenkolleg und Landwirtschaft 4.0, zwei neue Professuren und das Innovation Greenhouse als Anlaufstelle für Unternehmerinnen und Unternehmen. Ganz im Sinne des Whole System Approach ist die Universitätsverwaltung außerdem auf Ökostrom umgestiegen.
Staatssekretär Rudi Hoogvliet aus dem Staatsministerium Baden-Württemberg richtete den Blick auf die Landesebene und die Dringlichkeit zu handeln. Der Klimawandel und die durch den Krieg in der Ukraine befeuerte Ernährungskrise zeigten, dass es noch viel zu tun gebe. Das Engagement des Landes verglich er mit einem klassischen Sinfoniekonzert, bei dem die Agenda 2030 und die entwicklungspolitischen Leitlinien die Partitur, die vielen Akteure das Orchester darstellten. „Der Nachhaltigkeitssound ist schon recht gut“, fand Rudi Hoogvliet, was jetzt noch fehle, sei die große internationale Bühne; die vertikale Vernetzung müsse vorangebracht und Innovationen aus Baden-Württemberg anschlussfähig gemacht werden. „Das entstehende Hochschulnetzwerk soll endlich einen Probenraum bekommen!“, so Rudi Hoogvliet.
In seiner Keynote sprach Prof. Awudu Abdulai, Leiter des Instituts für Ernährungswirtschaft und Verbrauchslehre an der Universität Kiel, über Ziel 2 der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung: Kein Hunger. Laut eines Berichtes des Internationalen Roten Kreuzes stünde ein Viertel der Bevölkerung Afrikas, 346 Millionen Menschen, vor einer akuten Hungersnot. Die Weltbank habe ergänzt, dass durch Benzinpreiserhöhungen und die Unterbrechung von Versorgungsketten die Zahl der Hungernden und Armen schnell und steil ansteige. Doch zu den Ursachen zähle nicht alleine der Krieg in der Ukraine, sondern auch strukturelle Faktoren: Wüstenbildung auf 45 Prozent von Afrikas Fläche und dadurch Bodendegradation, gewaltsame Konflikte, Wasserknappheit und geringe landwirtschaftliche Produktivität. Auf keinem Kontinent hätten die Menschen weniger zu essen als dort, besonders jedoch in Subsahara Afrika. Als Lösung müssten unter anderem die öffentlichen Investitionen in die Landwirtschaft erhöht, Institutionen effizienter gemacht und die Rolle der Frauen gestärkt werden.
Beim Markt der Möglichkeiten und bei drei Diskussionsforen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen. Prof. Ulrich Holzbauer von der Hochschule Aalen stellte im Forum „Forschung für nachhaltige Entwicklung“ fest, dass der Schlüssel in Kooperation und Kommunikation liegt. „Die Ergebnisse müssen nach Außen gebracht werden, wir sollten nicht nur über Nachhaltigkeit forschen, sondern für Nachhaltigkeit!“, sagte er.
Leider seien die Studierendenzahlen aus den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerika stark zurückgegangen. Die Gründe dafür seien die Studiengebühren für ausländische Studierende, die in Baden-Württemberg eingeführt wurden, und Corona, berichtete Angelika Weber vom Studienbegleitprogramm (STUBE). Auch das ASA-Programm wurde 2020 und 2021 auf die Probe gestellt. Persönlicher Austausch und Begegnungen bilden normalerweise den Kern des ASA-Programms – dies war in den letzten zwei Jahren jedoch nur noch digital möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen wurden die Projekte und Seminare 2021 digitalisiert und internationaler Austausch für über 250 Teilnehmende aus dem Homeoffice ermöglicht. Dabei blieben Herausforderungen natürlich nicht aus: Austausch und Begegnung mussten neu definiert werden und der Zugang zu einer aktiven Internetverbindung war auf einmal Voraussetzung für das Gelingen der Projekte. 2022 liegt der Fokus nun wieder auf persönlichen Begegnungen. Dennoch wird die Option digitaler Projekte auch für die kommenden Jahre beibehalten. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass so neue Zielgruppen erreicht werden und die Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen sogar (noch) enger stattfindet.