Welche nächsten Schritte und Perspektiven gibt es zur Weiterentwicklung des Fairen Handels? Was kann jede und jeder Einzelne tun, um soziale und ökologische Bedingungen in der Produktionsweise zu verbessern?
Im Rahmen des Programms Entwicklungsbezogene Bildung in Deutschland (EBD) lud die Außenstelle Mainz von Engagement Global in Kooperation mit der Katholischen Akademie Rabanus Maurus am Samstag, 12. September 2020, in das Haus am Dom in Frankfurt ein, um diese Fragen zu diskutieren.
Aufhänger und visueller Auftakt der Veranstaltung war die Fotoausstellung „Fairer Handel WELTWEIT“ des Duos lobOlmo. Die Foto-Journalistin Dr. Jutta Ulmer und der Foto-Journalist Dr. Michael Wolfsteiner führten im Vorfeld des Themennachmittags durch ihre Ausstellung. Sie erstreckt sich entlang der Flure des Haus am Dom und zeigt Bilder von Menschen und aus den Produktionsprozessen von Produkten des Fairen Handels.
Dr. Georg Horntrich von der Katholischen Akademie Rabanus Maurus und Alexandra Ehrhardt von Engagement Global, gaben zu Beginn einen kurzen Überblick zur Entstehungsgeschichte der Veranstaltung und eine Einordnung des Fairen Handels in das EBD-Programm.
EBD zielt darauf ab, Menschen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit globalen Entwicklungen zu motivieren und zu eigenem Engagement für eine nachhaltige Entwicklung zu ermutigen. Das Programm wird dezentral von den Außenstellen von Engagement Global umgesetzt, um entwicklungspolitische Beteiligung regional und lokal zu verankern.
„Profit steht über dem Wohl von Mensch und Umwelt“, erklärte Steffen Weber, Geschäftsführer des Weltladen Dachverbands e.V., anschließend in seiner Rede mit dem Titel „Verantwortung und Möglichkeiten des Fairen Handels“. Dabei zeigte er die Geschichte der Fair Handels-Bewegung in Deutschland und die Prinzipien des Fairen Handels auf.
Nachfolgend erfuhren die Teilnehmenden in drei verschiedenen Workshops von spezifischen Herausforderungen in der Textilindustrie, bei Beschaffungen im kirchlichen und kommunalen Bereich sowie in der ökologischen Landwirtschaft der Region. Der Fokus lag dabei auf dem Erfahrungsaustausch und der Erarbeitung konkreter Handlungsoptionen.
Was ist faire Kleidung? Warum sind die meisten Kleidungsstücke nicht fair produziert und wie können wir das ändern? Diesen Fragen gingen die Teilnehmenden des Workshops „Fair Fashion ist möglich – die Textilbranche der Zukunft“ nach. Dr. Hildegard Scheu, Mitglied von FEMNET e.V., zeigte entlang der Produktionskette von der Faser bis zum fertigen Shirt auf, wie die Rahmenbedingungen der Arbeitnehmer vor Ort aussehen: lange Arbeitszeiten, Überstunden, kurzfristige Arbeitsverträge, Gewalt, sexuelle Übergriffe und niedrige Löhne. Inwieweit Textilsiegel ein Schritt hin zu fairen Kleidungsstücken sind und welche weiteren Möglichkeiten Konsumenten haben, sich für Mode mit besseren Sozialstandards einzusetzen, wurde in der Gruppe diskutiert.
Die Interessierten um Dr. Matthias Braunwarth, Bezirksreferent und Leiter des Katholischen Bezirksbüros Main-Taunus, beschäftigten sich mit „Öko-sozialen Beschaffungen im kirchlichen und kommunalen Bereich“. Braunwarth ermutigte dazu, sich mit den Forderungen nach öko-fair produzierten Waren nicht nur an die höchste Leitungsebene im Rathaus zu wenden, sondern auch Stadtverordnete anzusprechen und durch kleine Veränderungen – beispielsweise durch fair gehandelten Kaffee, Tee und Zucker beim Sitzungscatering – einen Beitrag zu leisten. „Es ist immer sinnvoll, einen Beschluss als Beschaffungsgrundlage zu haben“, sagte er in seinem Resümee. Inhaltlich unterstützt wurde er von Dr. Stefan Dietrich des Entwicklungspolitischen Landesnetzwerks ELAN e.V.
Jörg Weber vom Verein „Bürger für Regionale Landwirtschaft e.V.“ leitete den Workshop „Fairer Handel Regional“ und gab einen Einblick in die Lage der ökologischen Landwirtschaft rund um die fünftgrößte Stadt Deutschlands: Frankfurt am Main. Seiner Ansicht nach bietet die Bankenstadt bereits jede Menge Möglichkeiten, sich für eine sozial faire und nachhaltige Landwirtschaft einzusetzen. Beispiele hierfür stellen Solidarische Landwirtschaften, Gemüsekisten oder Urbanes Gärtnern mit Hilfe von Gemüseinseln dar. „Die Welt könnte sich biologisch ernähren“, davon ist Jörg Weber fest überzeugt. Hierfür müsste jedoch der Fleischkonsum drastisch zurückgefahren und stärker regional eingekauft werden. Das Bewusstsein der Menschen müsse weiter gestärkt werden, doch Ökomodellregionen zeigen: Die Zahl an Interessierten steigt und auch „die Wertschätzung gegenüber der regionalen Landwirtschaft wächst.“