Am ersten Dialogtisch diskutierten unter anderem Ariana Piper von FEMNET e.V. und Dagmar Maur von Engagement Global zum Thema Bildungsarbeit und Kampagnen. Ariana Piper erklärte, dass sich FEMNET vor allem für Frauen einsetze, da meist Frauen in der Textilherstellung arbeiten. Ariana Piper trat dafür ein, dass Kampagnen und Informationsarbeit lauter, diverser und möglicherweise auch radikaler werden müssten. Noch bewege man sich zu sehr in der eigenen Blase und erreiche noch nicht die große Käuferschicht der Textil- und Modebranche, so die Länderkoordinatorin von Fashion Revolution Deutschland. Dagmar Maur erklärte, dass entwicklungspolitische Bildungsarbeit zwar nur ein kleines, aber bedeutendes Puzzlestück darstelle, damit dann die Gesellschaft Verantwortung tragen könne. Bildungsarbeit sei ein wichtiger Punkt, um die Differenz zwischen Wissen und Handeln bei den Konsumentinnen und Konsumenten zu verkleinern. Beide betonten, dass Kampagnenarbeit und Bildungsarbeit stärker Hand in Hand gehen sollten, um gemeinsame Ziele zu erreichen und Menschen anzusprechen, die sich bisher noch nicht mit globalen Fragestellungen auseinandergesetzt haben.
Zum Thema unternehmerische Verantwortung sprachen Stefan Niethammer, Mitbegründer des T-Shirt-Labels 3Freunde und Jörg John, Agrarwissenschaftler und Berater in der Entwicklungszusammenarbeit, am nächsten Dialogtisch. „Ich produziere nicht anders, ich produziere richtig“, sagte Stefan Niethammer und erklärte weiter: „Wir kennen unsere Handelspartner: Vom Baumwollbauern bis zur Endproduktion. Wir verwenden ausschließlich fair gehandelte Biobaumwolle, wir färben in geschlossenen Systemen und gewährleisten existenzsichernde Löhne.“ Er hoffe auf ein gesellschaftliches Umdenken und schlug einen etwas anderen Weg vor: nicht die fair gehandelte Kleidung solle ausgezeichnet werden, sondern es sollten Warnhinweise auf Kleidung platziert werden, die auf die Bedingungen in der Produktion des Kleidungsstücks hinweisen und so zum Beispiel Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen aufdecken würden. Jörg John schilderte die Perspektive der Kleinbäuerinnen und –bauern im Baumwollanbau, die den Anfang der Lieferkette in der Textilbranche bilden. Auch Kleinbäuerinnen und -bauern würden mit einem unternehmerischen Interesse arbeiten, berichtete er. Letztlich müsse die Entscheidung, Baumwolle nachhaltig zu produzieren, gewährleisten, dass sie tatsächlich auch etwas davon haben. An erster Stelle würden hier die Ernährungssicherheit und ein sicheres regelmäßiges Einkommen für die Familien stehen. Kleinbäuerinnen und -bauern sollten außerdem nicht nur als Zuliefernde der Baumwolle gesehen werden. Weitere Arbeitsschritte zur Weiterverarbeitung des Rohstoffs auf lokaler Ebene sollten ermöglicht werden, was zu einer Verbesserung der Situation der Kleinbäuerinnen und -bauern führen könne. Hierfür müssten die Bäuerinnen und Bauern direkt in einen Dialog eigebunden werden. Auch die Politik müsse hier in die Pflicht genommen werden, um ganzheitliche Ansätze zu verfolgen, die die unterschiedlichen Sektoren miteinander in Bezug setzen.
Hier knüpften Jürgen Janssen von der GIZ und Anna Cavazzini, EU Parlamentarierin von Bündnis 90/Die Grünen, an. Gemeinsam widmeten sie sich an einem Dialogtisch der Frage nach politischer Verantwortung. Jürgen Janssen erläuterte das Textilbündnis, das 2014 als Multi Stakeholder-Initiative ins Leben gerufen wurde. Das Spektrum der Mitglieder im Textilbündnis zeige die Diversität des Spektrums der Akteure in der textilen Wertschöpfung, die einen Einfluss auf den Wandel haben. Dr. Janssen betonte den langen Prozess, der zur Vertrauensbildung zwischen den Akteuren notwendig war. Im Textilbündnis gebe es Gegnerinnen und Gegner sowie Befürworterinnen und Befürworter eines Lieferkettengesetzes, es existiere somit kein Grundkonsens zu diesem Punkt. Anna Cavazzini betonte, dass es Zeit für gesetzliche Regelungen auf nationaler und internationaler Ebene sei, denn allein nach dem Prinzip der Freiwilligkeit würden Standards zur Nachhaltigkeit nicht erreicht werden. Aber auch hier sei es notwendig, dass gleichzeitig die Standards für Nachhaltigkeit in internationalen Handelsabkommen genauer betrachtet werden, um in der Baumwoll- und Textilproduktion zu greifen und Nachhaltigkeit zu erreichen.